Wahres Karate ist wie heißes Wasser, das abkühlt, wenn Du es nicht ständig wärmst.
( arate wa yu no gotoku taezu netsu o ataezareba moto no mitsu ni kaeru. )
So lautet der 11. Lehrsatz unseres Stilbegründers Meister Funakoshi. Was bedeutet das aber nun konkret für denjenigen, der sich ernsthaft mit Karate befassen will?
Es gibt eine Vielfalt von Gründen mit dem Karatetraining zu beginnen. Eine Auswahl davon ist beispielsweise auf unserer Abteilungshomepage zu lesen. Bei den meisten Anfängern schwebt aber im Hinterkopf immer der Gedanke, jetzt einfach anzufangen und in x Wochen, Monaten oder Jahren ein „Meister“ zu sein. Diese zutiefst europäische Denkweise geht davon aus, dass bei ernsthafter Beschäftigung jedes Problem und jede Aufgabenstellung sich in einer gewissen, sehr begrenzten Zeit „lösen“ lässt. Oft wendet man sich deshalb auch schon von Aufgabenstellungen ab, weil die zeitliche Perspektive etwas verschwommen wirkt. Die Attraktivität von „Erfindungen“ wie internetbasierten „Sozialen Netzwerken“ lebt genau von dieser Idee. Statt tatsächlich zu leben und sich den alltäglichen Anforderungen zu stellen, vielleicht auch Jahrzehnte später mal zurückzublicken und zu beurteilen, ob man ein erfülltes Leben gelebt hat, ist die Maximierung des Ausstoßes von Bildern und Gedanken ( - welche im Übrigen schon Tage später einfach nur noch als peinlich empfunden werden - ) zum Maß für ein „erfolgreiches und produktives Leben“ geworden.
In der (ursprünglichen) japanischen Denkweise - infolgedessen auch einer Vielzahl von Kampfkünsten - existiert eine derartige Vorstellung nicht. Man widmet sich einer Sache stets mit ernsthafter, vollständiger Aufmerksamkeit und Konzentration immer und immer wieder - meist ein Leben lang - und gewinnt in diesem Prozess neue Erkenntnisse, verbessert seine Fähigkeiten und „findet“ am Ende sogar zu sich selbst. Dabei ist es völlig egal, ob es sich um den Weg der Teezeremonie (Chado), den Weg des Blumensteckens (Ikebana) oder eine traditionelle Kampfkunst handelt.
Der entscheidende Punkt liegt hier aber bei dem „immer und immer wieder“. Das heißt, die Vorstellung etwas erreicht zu haben und diesen Fähigkeitsstand halten zu können, ohne immer wieder und weiter zu üben ist reine Illusion.
Bei den von unserem Verband organisierten internationalen Lehrgängen, an welchen im Übrigen auch schon „Fast-Anfänger“ teilnehmen dürfen, sieht man z.B. nahezu achtzigjährige Meister, die genau das ausstrahlen und auch offen ansprechen. Die auch selbstverständlich noch täglich selbst trainieren. Nicht weil sie technisch so schlecht wären, sondern weil sie sich über die Ausübung der Kampfkunst Karate immer mehr sich selbst nähern. Überflüssig zu erwähnen, dass ein solcher Mensch auch viel eher den Blendzauber von Scheinautoritäten und selbsternannten „Meistern“ mit geschönten Biographien mit heiterer Gelassenheit und einem breiten Lächeln zur Kenntnis nehmen kann.
Wer sich mit diesen grundsätzlichen Gedanken anfreunden kann, wird durch Karate eine echte Bereicherung seines Lebens erfahren. Wichtig ist beim Einstieg eigentlich nur der „Anfängergeist“ (jap.: shoshin) der eine Sache nicht „vom Ende her“ denkt, sondern vom Anfang aus. „Ich beginne heute etwas und übe dieses nun aus. Wo ich ankommen werde, weiß ich (noch) nicht. Aber ich habe mich nun auf den Weg begeben!“
Oder um es im Sinne unseres Stilgründers zu sagen: „Ich habe begonnen, das Gefäß zu erwärmen!“
In diesem Sinne wünsche ich uns und Ihnen allen noch eine „heiße“ Zukunft.
Ihr / Euer
Alexander Mitsanas,
Trainer der Karateabteilung im PSV